Freitag, 25. November 2016
4.) Proben
Papier, das ich zerreiße fällt
auf den Boden,
das Seminar ist anstrengend, neben mir wird gesagt, man wähle es ab.
Ich nicht, aber ich finde es kommt ihm zurecht.
Ich schaffe es nicht einzusteigen, das geht seit jeder Sitzung so.
Dem Vortrag höre ich zu, aber ich finde nichts, was für mich da wäre zum Aufpassen.
Ganz hinten kann ich außerdem die Power Point Präsentation nicht lesen, ich kann nicht stillsitzen.
es sollte für mich im Vordergrund sein, aber ich spule es mir als Hintergrundgemurmel ab und schreibe.
Alle die sich melden sprechen zu leise und ich versuche jetzt wirklich zu zuhören, irgendwas mit Kunst im dritten Reich. Ich habe im Dunkeln gestanden und Hitler gemalt, immer und immer wieder mit Edding auf weißem Transparentpapier. Rebekka nahm es, wenn es fertig war und klebte es mit Gaffatape in einen Rahmen. Wir hatten zwei Rahmen, den einen bespannten und bemalten wir und der andere wurde über den Kopf der Sängerin gestoßen und das Transparent ging kaputt.
Rebekka nahm das kaputte Bild von Eva und gab ihr ein Neues, sie klebte im Akkord und ich malte im Akkord, wie am Fließband, von der trockenen Luft bekam ich Nahezu jeden Abend einmal Nasenbluten, ich eilte hinaus und nahm das betropfte Bild für den Mülleimer mit und als ich wieder kam musste ich mich beeilen.
Wir müssen wissen wer wir sind uns was wir tun, sagt der Dozent.
Was heißt das. Hm, ja was heißt das, wo bin ich, was will ich, was wollte ich, was soll ich hier, will ich bleiben? Nein und ja und weiter und weg und weiß ich nicht. Warum können wir uns vorstellen, Stichwort Phantasie, gute Frage. – Die Natur möchte sich rächen, weil sich die Menschen an ihr rächen wollten, Auge um Auge, Zahn um Zahn und nochmal Auge um Auge-.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 25. November 2016
3.) Hase
Vor elf Jahren, also da war ich neun, gingen wir mit dem Hund raus, ich wollte unbedingt auch mal die Leine halten, wurde doch meiner Freundin mein sehnlichster Wunsch erfüllt.
Der Himmel war grau und das Licht normal, nicht grell, nicht düster.
Wir gingen die Auffahrt hoch und hinter dem Tor bogen wir in den Weg ein, der ungefähr einen Meter breit war.
Wir wollten den Weg nehmen, der an den Stegen lang läuft, wo die Ruder-und Segelboote im Wasser schaukelten und wo eine ruhige verlässliche Bewegung in der Natur ist.
Wir redeten und der Hund suchte sich seine Stellen.
Auf der einen Seite, anfangs dunkelten noch dicht beieinander stehende, große Tannen den Weg, lagen bald Ferienhäuser, Lauben und der Himmel war frei. Die andere Seite war bewachsen mit Schilf, das so hoch ragte, dass wir, vor allem ich, nicht hinüber auf den See schauen konnten.
Der Weg endete in einer Grasfläche und wir waren an den Stegen angekommen.
Wenige Boote waren angebunden, wir blicken auf das Wasser und gingen ein Stück über die Holzplanken ins Freie.
Wegen dem Hund gingen wir, schneller als es mir lieb war, wieder runter.
Im hinteren Bootsbecken schwammen Seerosen, leider ohne Blüten, aber für mich, ein Kind aus der Stadt war das etwas Besonderes. Seerosen kannte ich nur aus Märchen und meinen Vorstellungen.
Die Blätter schwammen knapp unter der Wasseroberfläche und waren schmutzig grün.
Wir setzten uns auf den Steg und sahen eine Weile ins dunkle Wasser, da bewegte es sich ein wenig und etwas kam in unseren Blick.
Später fällt mir ein das ich es schon von weitem unscharf erkennen konnte, ich dachte vielleicht könnte es ein Otter sein.
War es nicht, es war ein toter Haase, der auf dem Bauch im Wasser dümpelte. Seine großen Ohren waren an den Nacken angelegt und er hatte alle Viere von sich gestreckt, das Gesicht im See verborgen. Er sah unverletzt aus, das hellbraune Fell lag glatt und nass, wie gekämmt in einer Richtung.
Der Hund zog wieder an der Leine, er hatte etwas, etwas Lebendiges in einem Gebüsch gewittert.
Jule wollte auch weg, ich fragte sie was mit dem Hasen passiert sei. Sie meinte, den hat bestimmt ein Vogel gefangen und ihn dann hier fallen gelassen und dann ist er ertrunken.
Ich merkte, dass sie lieber nicht weiter darüber nachdenken wollte.
Ich gruselte mich zwar doch spannend fand ich es trotzdem, nie hätte ich es gewagt mir einen Stock zu nehmen und damit den Hasen zu berühren, doch wie er auf der anderen Seite aussah, interessierte mich sehr.


Mit sieben Jahren war ich mal mit meiner Mutter auf Kur und ich spielte jeden Tag mit den anderen Kindern, die da waren.
Es gab einen kleinen Wald und dahinter ein Feld, neben dem Kurgelände.
Einmal gingen wir auf dem Weg zum Feld durch das Wäldchen und fanden einen Igel der vor uns auf dem Trampelpfad saß.
Aus Sorge jemand könnte ihn übersehen und auf ihn drauf treten, aber auch weil wir einem „Wilden“ Tier nah sein wollten, wickelten wir ihn in meine Fleeszacke und trugen ihn ins Unterholz. Ich konnte seine Stacheln leicht durch den Stoff spüren, der Igel hatte sich sofort eingerollt, als wir an ihm dran waren.
Es war ein früher Abend im Sommer und die Weite die uns endgegenstreckte, als wir aus dem Wald traten, war unerwartet und einnehmend. Eine leuchtend gelbe Freiheit die sich am blauen Himmel stieß.
Wir gingen los und erkundeten.
An einer Stelle, an der die Halme großflächig geerntet waren, lag ein großer Ast, seine Zweige ragten sich nach oben.
An zwei, nah bei einander gewachsenen Zweigen hing ein Kaninchenkadaver. Je ein Stück Holz ragte aus einer leeren Augenhöhle hervor. Er bewegte sich leicht im Wind, die Ohren standen schräg vom Kopf ab, das Fell war dunkelbraun mit hellbraunen Tupfern, wir sahen alle hin obwohl es furchtbar aussah.
Daran musste ich denken, als wir weiter spazierten.
Und daran, wie ein, in meiner Vorstellung, Weißkopfseeadler mit dem großem Hasen unter blauem Himmel flog, ihm das Tier aus den Krallen gleitete und im Wasser ertrank.
Da hatte der Tod ja keinem was gebracht.
Sechs Jahre später lag ich in meinem Bett und schaltete mich durch das Samstagmorgenprogramm im Fernsehen, ich landete schließlich auf ZDF Kultur, wo gerade eine Aufzeichnung eines Theaterstückes lief.
Ich guckte in den Text: „Eine Kirche der Angst vor der Fremde in mir“. –Bei Theater und Büchern gehe ich nach Titeln, sind sie aufregend und besonders, kaufe ich mir eine Karte, meistens ohne etwas darüber gelesen zu haben, etwas oberflächlich vielleicht, aber bis jetzt habe ich es nur selten bereut und ich kann mich so besser entscheiden.- Also bleibe ich bei dem Sender.
Auf der Bühne sah es auf den ersten Blick auf eine schlichte weise unordentlich aus, die ich nicht richtig erklären kann.
Auf der einen Seite stand, hinter einem Weiß und durchscheinbaren Vorhang, ein Bett aus Stahl auf dem eine schmutzig, helle Matratze lag. Auf der anderen Seite standen ein Tisch und zwei Stühle, ganz genau weiß ich es nicht mehr. Dahinter lief ein Film an der Wand. Später wechselte der Spielort in eine Kirche.
Das Licht war gedämmt und die Bühnenwände, Stühle und Tisch waren dunkel.
Der Film zeigte ein Zeitraffer von einem verwesenden Hasen, in Sekunden flogen Tausend Fliegen und krabbelten Hunderte von Maden und löste der Hase sich auf.
Ich fing an mit zuschreiben, zu der Zeit war ich auf Satzsuche, alles was mir besonders schön kam schrieb ich auf, oder merkte es mir, aus Büchern, Theaterstücken, Gesprächen...
Das ist die Welt, sie steht und sie fällt sie rollt, sie ist wie aus Glas.

Vier Jahre später stand ich in einem betriebslosen alten Operationssaal, der noch für uns Kulisse sein durfte und wurde von Schlingsiefs gutem -oder sogar besten?- Freund angeschrien, das ich ihm falsche Brötchen gekauft hätte, von seinem Geld (fünf Euro), wie er mehrmals betonte.
Ich ließ es aus mich zu erklären, weil Erklärungen eh nie jemand hören wollte und Rechtfertigungen schon gar nicht.
In dem Rhythmus, dieser Geschichte liegt etwas, nämlich das man nur das entweder oder kennt, aber nie alles zusammen.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Mittwoch, 23. November 2016
2.) Schneewitchen
Das Schneewittchen wurde angezogen
für den Sarg und geschminkt
und das Kostüm brachte die Ketten
und die Bühne bis vom Apfel ab und
legte ihn diesen in seine Hände
Das Schneewittchen musste sich
auf die Steinliege legen
Das Team baute alles um es herum auf

alle rauchten zwar,
doch wurde die Nebelmaschine angeschlossen
und schnell sah man kaum mehr was war
in dem kleinen Raum, im Keller der Pathologie
und einer rammte im Gehen,
weil er das Tuch, was auch das Kostüm brachte,
richten wollte, gegen eine der zwei Liegen
und Fluchte

Als noch kein Nebel da war,
sahen wir in die Waschbecken hinab und sagten
da sein noch altes Blut

Ein Kameramann aß neben mir ein Brötchen,
die, wie er mir mit einem unpassend süffisanten
Lächeln auf den Lippen sagte,
in dem Raum lägen,
in dem noch vor einem Jahr
die Leichen aufbewahrt wurden.

Er erzählte, als ob ich ein kleines Mädchen wär
und er mir mit einer Gruselgeschichte Angst machen wollte,
eigentlich war es nur eklig
und er war auch nur einer von denen,
die mich mit na Clara, alles klarer ?,
ansprachen und ich war ihm gegenüber zu verkrampft
als das ich eine passende Antwort gefunden hätte,
ignorierte es einfach unsicher
und fühlte mich jedes Mal auf eine unerklärliche Weise,
belächelbaren Art, bloßgestellt.

Jemand machte das Lied an
und wir zwängten uns in den Flur
hinter das kleine Fahrgestell der Kamera
und waren leise.

Wie wir es sahen, sollte es später sein
nur Umrisse und ein wenig Detail
das weiße Tuch bewegte sich
und unter ihm kam Schneewittchen zum Leben zurück
die zwei Zwerge und den Bösen Wolf im Hintergrund,
der auch später kaum zu erkennen war,
habe ich noch nicht erwähnt,
die beiden knieten zu ihrer Seite

Das Schneewittchen, mit aufgesetzter Perücke
und weißem Gesicht,
dass ich es nicht wieder erkannte
stand auf und ging auf die Kamera zu
Sie musste Barfuß gehen

Und das tut mir heute noch Leid, für sie,
das man das später nicht mal sah,
es geht nicht um die Kälte, kalt war uns allen,
es geht um den Ort,
an dem ich am liebsten nichts angefasst hätte.
Obwohl die herumliegenden,
vergilbten Totenscheine interessant waren.
Sie waren alt, der ältesten den ich fand,
war von 1959,
ein Unfall hatte einem Paul,
der Frau und Kinder hatte, diesen Schein beschert.
Das stand da tatsächlich,
wenn auch nur bei sehr wenigen, vermerkt.

Wir waren im Keller
und als das Schneewittchen sich endlich Badelatschen
und auch noch einen Bademantel anziehen durfte,
räumten wir auf und zogen weiter.

Nach der gedrungenen,
nicht beleuchteten Wendeltreppe nach oben,
Clara fall nicht,
kamen wir wieder zu Fenstern,
es war dunkel draußen
und auf den Handys ein Uhr morgens.
Wir nahmen unsere Sachen
und zogen in das Größere Gebäude,
dass jetzt abgerissen wurde,
um und machten weiter.

... link (0 Kommentare)   ... comment